AMF Notizen zur Malerei

De Dedicationibus. Altäre in Bewegung.

Ein Beitrag zur Ausstattungsgeschichte der ehem. Chorherrenstiftskirche St. Vitus in Ellwangen
von Anna Moraht-Fromm

Das 764 gegründete Benediktinerkloster in Ellwangen wurde um 1460 in ein gefürstetes adeliges Chorherrenstift umgewandelt und gehörte somit zu den vornehmsten geistlichen Reichsständen.

Die dreischiffige, kreuzförmige Pfeilerbasilika - sie entstand in den Jahren 1182 bis 1233 - ist die dritte Kirche an dieser Stelle und geht in ihren Anfängen auf das Jahr 764 zurück. Sie ist das hervorragendste Baudenkmal der schwäbischen Kaiserzeit im Stammland und als dreitürmiger, im Innern dreigeschossiger Gewölbebau, eines der bedeutendsten und eindrucksvollsten Zeugnisse der spätromanischen Architektur rechts des Rheins.[i]
Obwohl es den Regenten dieses Territoriums zu keiner Zeit an Geld mangelte, wurde die 1233 geweihte spätromanische Basilika niemals durch einen Neubau ersetzt, sondern im Äußeren in einer für Süddeutschland ungewöhnlichen Sorgfalt als (fast reine) romanische Baugruppe erhalten, allenfalls stilkonform restauriert.
Scheinbar sehr bewusst hob sich die unverändert mittelalterliche Stiftskirche von allen kirchlichen Neubauvorhaben der Umgebung ab, als sei die Wertschätzung des Alten als Manifestation dynastischer Tradition für das Selbstverständnis der Bauherren von entscheidender Bedeutung. Und „…so gehört es zu den großen Überraschungen, dass sich in Ellwangen eine der vollkommensten Gewölbebasiliken der großen Epoche der letzten Romanik mit einem Bau von 1182 bis 1233 erhalten hat, den man….neben die großen Bauereignisse der Zeit, die Dome von Worms oder Bamberg stellen kann...[ii]
Dieses bewusste Festhalten an der ursprünglichen Gestalt war allerdings nur auf den Außenbau beschränkt. Der Innenraum wurde dagegen im Sinne einer gebrauchten, d. h. genutzten Kirche stets umgestaltet, renoviert und den sich verändernden liturgischen Bedürfnissen angepasst. Bereits 1661 führte man die erste umfassende Renovatio des Inneren durch. Bruno Bushart hat diese anhand von Quellenbelegen rekonstruieren können.[iii] Als „…ein einheitliches, in der Anpassung an das Vorhandene geradezu geniales und technisch vorzügliches Werk…“ bezeichnet es Gradmann.[iv] Es sollte nicht die letzte Renovatio sein. Und so empfiehlt uns Engelhard mit Recht, wenn man „…die Vielschichtigkeit und das künstlerische Potential der Bauaufgabe „Barocke Renovatio in Süddeutschland“ an einem einzigen Beispiel erläutern wollte, sollte man die Propsteikirche des Hl. Vitus im ehemals reichsunmittelbaren Hochstift Ellwangen wählen…“.[v]

Wie aber ist man mit den „alten“ Ausstattungsstücken, den Altären resp. ihren Retabeln, Skulpturen, Epitaphien, Grabplatten etc. verfahren? Es wäre eine großartige Forschungsleistung, diese in höchstem Maße komplexe Ausstattungsgeschichte interdisziplinär in allen ihren Facetten zu erforschen und sie in ihren jeweiligen kunst- und kulturgeschichtlichen Kontext zu stellen.
Den spezifischen Veränderungen und Wandlungen innerhalb einer gebrauchten Kirche  an einer Werkgruppe – den Altären und ihren Aufbauten - wenigstens einführend nachzuspüren, hat sich dieser Beitrag zur Aufgabe gemacht. Es ist ein glücklicher Umstand, dass die noch heute erhaltenen Retabeln oder ihrer Reste davon, jeder in einer anderen Phase, die Entwicklung der Altarbaukunst von den meist wandelbaren Flügelaltären der Spätgotik bis hin zu den feststehenden Säulenaltären des Barock repräsentieren. Sie sollen an dieser Stelle auch im Hinblick auf die Veränderungen ihres Programms und ihrer Positionierung innerhalb des Kirchenraums ausführlicher besprochen werden.

Der vollständige Text des Beitrags in: Ellwanger Jahrbuch 2012/13, S. 237-263.


[i] Bruno Bushart, Die Basilika zum heiligen Vitus in Ellwangen, Ellwangen 1976, S. 8.

[ii] Wolfgang Braunfels, Die Kunst im Heiligen Römischen Reich III: Reichstädte, Grafschaften, Reichsklöster, München 1981, S. 402.

[iii] Bruno Bushart, Die Barockisierung der Stiftskirche zu Ellwangen im Jahr 1661/62, Ellwanger Jahrbuch 1947/49 (Sonderdruck).

[iv] Ernst Gradmann, Die Kunst- und Altertumsdenkmale in Württemberg 3, Esslingen 1900, S. 104ff. (zit. nach Bruno Bushart, Lebendige Steine – Die Stiftskirche in Ellwangen, in: Schwäbische Heimat  4 (1953), S. 250.

[v] Dabei betont er die Notwendigkeit einer differenzierteren Betrachtung der Umformungsmodi, für die er eine entsprechend komplexere Terminologie einfordert als es der Begriff „Barockisierung“ je sein könnte. Die komplette Überformung der gesamten Rauminnenschale, nennt er die Renovatio im „italienischen Modus“ (gegenüber dem „französischen“ und dem „historisierenden Modus). Allerdings – das sei an dieser Stelle angemerkt -  lassen sich diese Modi, so sinnvoll sie ganz sicher sind, nicht mit der Geografie in Übereinstimmung bringen. Dafür ist Ellwangen das beste Beispiel. Meinrad von Engelberg, Renovatio Ecclesiae. Die „Barockisierung“ mittelalterlicher Kirchen. Studien zur internationalen Architektur und Kunstgeschichte 23, Petersberg 2005, S. 16ff. und S. 536; vgl. auch die Rezension von David Ganz, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 2.

 

Dr. Anna Moraht-Fromm
Kultur- und Bildwissenschaft - Sachverständige

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